Die Wallmauer in Soest
Man schreibt das Jahr 1180 und in Soest hat der Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg größten Einfluss, er ist der Herr über die Stadt Soest als Herzog von Westfalen. Der Rat dieser selbstbewussten, aber noch kleinen, Stadt herrscht über ein Areal das etwa vom Kützelbach im Osten bis zum Petrikirchturm im Westen und von der Thomästrasse im Süden bis zum Kungelmarkt als nördliche Grenze reichte.
Philipp wollte 1180 Soest zu der Hauptstadt seines westfälischen Einflußbereiches ausbauen und verordnete die Vergrößerung der Stadtfläche auf 102 Hektar mit einer uneinnehmbaren Befestigungsmauer mit Wehrtürmen und Wassergraben.
Die Innenstadt von Soest wurde in Verwaltungsbezirke aufgeteilt, die man damals Hofen nannte, wobei jede Hofe ihre eigene Kirche erhalten sollte.
Im Schutz dieser Befestigung konnte Soest sich zu einer der mächtigsten und reichsten Städte Westfalens und als Hansestadt entwickeln. Das wachsende Selbstbewusstsein und der Stolz der Soester konnte sich aufgrund der uneinnehmbaren Wallmauer immer weiter entwickeln, was schließlich zur Abspaltung von Köln führte.
Die neue Stadtbefestigung war so modern und ausgefeilt konstruiert, dass sie in der Tat uneinnehmbar war, was die Nachfolger Philipps als Kölner Erzbischof in der Soester Fehde von
1444-1449 schmerzlich erfahren mussten. Sie wollten Soest weiter beherrschen, die Soester wollten das aber nicht. Soest wollte lieber zum Herzog von Kleve gehören, und die „Bekehrung“ der Soester nach Köln scheiterte nicht zuletzt an der von Köln selbst befohlenen und bezahlten Stadtbefestigung, dem Wall.
Die Kölner zogen in der Soester Fehde mit einem gewaltigen Heer an und belagerten die Stadt Soest. Zwischen Grandweger- und Ulricher Tor konnten sie die innere Mauer mit Leitern ersteigen, wurden aber nach der Überlieferung von den Soester Frauen mit heißem Wasser, Pech und Kalk empfangen und abgewehrt. Die Belagerung scheiterte, die Kölner zogen ab und Soest wandte sich dem Herzog von Kleve zu.
Die Stadtbefestigung bestand im Ursprung wohl aus einer etwas flacheren ersten Mauer, dem Wassergraben (heute Gräfte genannt) und der hohen inneren Mauer, die heute mit Bäumen bepflanzt ist und noch zu zwei dritteln aus der Zeit um 1180 erhalten ist.
Die Wallmauer ist aus Grünsandstein erbaut und hatte 28 halbrunde Wehrtürme mit Zinnen, von denen einer noch ganz erhalten ist, nämlich der Kattenturm. Er steht auf dem Wall an der Soester Stadthalle auf dem Ulrich- Jakobi- Wall.
Der heutige Wall ist eine Weiterentwicklung mittelalterlicher Militärtechnik. Zunächst nur als Steinmauer konzipiert, wurde nach der Fehde Erde verfüllt, um die „neuartigen“ Kanonenkugeln zu dämpfen. Dieser Umstand führt dazu, dass heute auf der Wallmauer Bäume wachsen können. Bastionen wie am Schonekind- und Jakobitor wurden zur Verstärkung der Befestigung aufgebaut.
Im Lauf der Jahrhunderte wurde die Bedeutung des Walls wegen modernerer Militärtechnik immer geringer, so dass er im 19. Jahrhundert überflüssig war.
Die Mauer wurde in der Höhe halbiert und die Türme wurden bis auf den Kattenturm abgerissen. Die Soester dieser Zeit sind dann angefangen, Wälle und Gräften komplett zu beseitigen, was zwischen der Nötten-Brüder-Wallstrasse am Soestbach und dem Osthofentor auch vollendet wurde. Aber dann ging zu unserem Glück das Geld für die Abrissarbeiten aus, der Rest der Wälle blieb erhalten.
Bei dem Gang über die Wälle kann man immer noch die Grundrisse der 28 Türme erkennen, heute stehen da teilweise Bänke für die gemütliche Rast mit Platz zum Toben für Kinder.
Alle Stadttore von ehemals zehn Toren wurden im 19. Jahrhundert abgerissen, mit einer Ausnahme, dem Osthofentor. Es ist das jüngste der Stadttore und wurde erst 1523 fertiggestellt.
Das Jakobitor steht nur noch als Fragment ehemaliger Größe. Zehn Stadttore haben seit 1180 die Soester Stadtbefestigung für Reisende, Kaufleute und Bürger durchlässig gemacht, und wurden erst größtenteils mit dem Schleifen der Wallmauer abgerissen.
Die erste Bepflanzung der Wälle wurde schon von den Preußenkönigen veranlasst, die dort Maulbeerbäume pflanzen ließen, um die Seidenproduktion anzukurbeln. Nachdem das misslang, wurden Pappeln gepflanzt, die aber auch nicht gedeihen konnten.
Erst die später gepflanzten und heute noch stehenden Linden konnten an das Grundwasser reichen und wachsen.
Folge dieses schönen Baumwuchses ist die Zerstörung der Wallmauer durch Wurzelwerk. Sie muss immer wieder mit hohem finanziellen Aufwand erneuert bzw. repariert werden. Das letzte große Projekt war die Restaurierung der „Mühlenturmes“ in der Gräfte am Jakobitor, eine der oben genannten Bastionen. Wall und Gräfte sind heute beliebte Naherholungsbereiche für Soester Bürger und Besucher. Zu jeder Jahreszeit hat die Parkanlage ihren besonderen Reiz zwischen mittelalterlichem, leichtem Gruseln und fröhlichem Leben als Freizeitanlage.
In der Gräfte am Osthofentor konnten sie vor einigen Jahren den Sturm der Kölner auf Soest als Spektakel erleben, und sie können glauben: Die Kölner haben Soest wieder nicht bezwingen können.